HOFPORTRÄTS WEIHNACHTSGÄNSE
Passend zur besinnlichen Adventszeit präsentiert uns Sabine Emmerich Porträts von Weihnachtsgänsen, die auf einem der hiesigen Bauernhöfe entstanden. Von Gänsen also, die namenlos auf unseren Tellern als Festtagsschmaus enden. Schon in der Namensgebung der Arbeit – Hofporträts – kündigt sich eine ironische Umkehrung an. Denn das Hofporträt als Genre hebt ja eigentlich prominente Figuren an fürstlichen Höfen hervor. Diese Prominenz billigt Sabine Emmerich ihren Gänsen zu.
In der Ausstellung zeigt sie die Porträts nun nicht als Einzelbilder, sondern zusammengefasst in einer Serie. Sie hängen sozusagen im Gänsemarsch an der Wand. Als Betrachter fällt uns zunächst deren formale Uniformität auf: wie in einer Typologie zeigen sich alle Gänse konsequent vor demselben neutralen Hintergrund im Brustporträt en profil und blicken in dieselbe Richtung. Nur der Einfall des Sonnenlichts variiert und mag an die Bildserien Claude Monets erinnern. Der malte ein und dasselbe Motiv, z. B. Kathedralen und Heuhaufen mit unterschiedlichen Lichtwirkungen immer wieder gleich und doch neu, sodass er heute als Wegbereiter der seriellen Kunst gilt.
Auch Emmerich zeigt uns das Motiv Gans immer wieder gleich und doch neu. Denn gerade im seriellen Kontext offenbaren sich die Unterschiede zwischen diesen auf ersten Blick identisch wirkenden Tieren: Größe und Form von Kopf, Hals, Schnabel und den schönen blauen Augen variieren und zeigen jedes Tier in seiner individuellen Besonderheit. So laden die Hofporträts ein zu einem sowohl vergleichenden als auch präzisen Sehen und zeigen, dass Typisierung und Individualisierung sich nicht ausschließen: Gerade das Besondere scheint durch minimale Veränderung im Allgemeinen auf.
Simone Ewald